Ihre Veröffentlichung ist in Genome Biology erschienen.
Das Schicksal einzelner Zellen im Körper ist in vielerlei Hinsicht relevant. Forscher wollen Entwicklungsprozesse untersuchen, aber auch verstehen, wie es zur Entstehung von Krankheiten kommt. "Bei Experimenten entstehen große Datensätze, sprich Big Data", erklärt Prof. Fabian Theis, Direktor des Institute of Computational Biology (ICB) am Helmholtz Zentrum München und Professor für Mathematische Modellierung biologischer Systeme an der Technischen Universität München (TUM). Forscher erfassen nicht nur Informationen über die Zelle selbst, sondern auch über Wechselwirkungen mit anderen Zellen oder anderen Gewebetypen. Theis: "Bislang gab es jedoch keine Möglichkeiten, um komplexe Prozesse auf zellulärer Ebene verständlich abzubilden."
Forscher arbeiteten dabei bislang mit zwei Ansätzen zur Datenanalyse. Entweder suchten sie nach Zellen mit ähnlichen Eigenschaften und gruppierten diese ("Clustering"). Oder sie beschrieben den zeitlichen Ablauf von Zellen auf ihren Entwicklungspfaden ("Trajektorieninferenz"). "Wenn man diese sehr unterschiedlichen 'Brillen' nimmt, um auf die Daten zu sehen, entstehen natürlich abweichende und unklare Interpretationen", ergänzt Dr. Alex Wolf. Er leitete bis vor kurzem ein Machine Learning Team am ICB. "PAGA leistet alles, was Clustering und Trajektorieninferenz kann, in einer einzigen Analyse, mit einer einzigen Methode und einem einzigen schlüssigen Ansatz zur Modellierung." Je nach gewünschter Auflösung gruppiert das Tool Zellen beispielsweise anhand ihres Zelltyps (etwa Hautzellen), ihres biologischen Zustands (beispielsweise in Teilung) und zeigt die dabei zelluläre Übergänge zwischen Typen und Zuständen auf.
In den letzten Monaten sind mehrere Fachartikel erschienen, die zeigen, welche Möglichkeiten PAGA bietet. Mireya Plass vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft rekonstruierte zusammen mit Wolf und Kollegen den vollständigen zellulären Stammbaum eines Plattwurms – einer der von Science kuratierten wissenschaftlichen Durchbrüche des Jahres 2018. Vor kurzem hat ein Team um Blanca Pijuan-Sala von der University of Cambridge mit Hilfe von PAGA zum ersten Mal die Entwicklungsprozesse eines Mausembryos rekonstruiert. Weitere Fachartikel zeigen, dass PAGA auch im klinischen Kontext wichtige Ergebnisse liefert. Forschende vom Broad Institute of MIT and Harvard untersuchten chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Sie konnten nachweisen, dass Störungen der Zellentwicklung das Krankheitsbild erklären, die Abstammungslinien der Zellen im Darm erhielten sie mit PAGA. Theis sieht im Tool auch künftig große Potenziale: "Im Grunde kann jedes biologische Phänomen, das sich auf einen zellulären Prozess zurückführen lässt, mit PAGA analysiert werden, sobald auch Daten vorhanden sind."
MEDICA.de; Quelle: Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt