Wird nun der Wasserhahn geöffnet, strömt frisches Wasser durch das Abwasserrohr. Dabei strömt die Luftmasse über dem Siphon nach oben aus dem Waschbecken heraus, und reißt gleichzeitig Bakterien mit nach oben. Diese sind in einem Radius von circa 1,5 m um das Waschbecken nachweisbar. Da sich bei laufendem Wasser stets auch eine Person in der Nähe des Waschbeckens aufhält, ist davon auszugehen, dass auf diesem Wege praktisch immer eine Übertragung von Bakterien stattfinden kann.
Wie wäre es zur Prävention mit einem Siphon, der - einmal eingebaut - in der Lage ist, eine bakterielle Besiedlung fortlaufend und sicher zu verhindern? Für dieses ambitionierte Projekt haben sich Forscher des Fraunhofer FEP und der Firma MoveoMed GmbH zu einem von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) geförderten Projekt zusammengeschlossen. "Der neuartige Ansatz besteht in der Entwicklung eines Siphon-Einsatzes, der permanent die bakteriologische Besiedlung unterbindet und somit auch eine retrograde Infektion verhindert", erläutert Jan-Michael Albrecht, Geschäftsführer von MoveoMed.
Technologisch soll die bereits bekannte fotokatalytische Wirkung von Titandioxid (TiO2) verwendet werden. Dieser Stoff erzeugt bei Kontakt mit UV-Licht sogenannte Radikale, welche innerhalb kürzester Zeit Bakterien oder andere biologische Verunreinigungen zerstören können. Anwendung findet dies bereits in selbstreinigenden Fassaden oder Wandfarben, wobei winzige TiO2-Partikel im Sonnenlicht ihre reinigende Wirkung erzielen können. Hierbei wird jedes Mal, wenn ein TiO2-Partikel von einem Sonnenstrahl (genauer dem UV-Anteil des Strahls) getroffen wird, ein Sauerstoffradikal gebildet. Je stärker die Einstrahlung ist, und je mehr Titan-Partikel vorhanden sind, desto stärker ausgeprägt ist die Radikalbildung und damit der Reinigungseffekt. Unglücklicherweise gelangt in ein Abwasserrohr aber kein Sonnenstrahl und dadurch auch keine natürliche UV-Strahlung. Zusätzlich erschwert wird das Vorhaben durch den vorhandenen geringen Platz: Im Unterschied zu der normalerweise recht großen Fläche einer Hauswand, die gleichzeitig die große Reaktionsfläche darstellt, finden sich in hausüblichen Abwasserrohren weder große Flächen noch sonstiger verfügbarer Platz.
Ziel ist es also, die fotokatalytische, selbstreinigende Wirkung einer Fassade in der prallen Sonne so zu komprimieren, dass das gleiche Ergebnis (Reinigung und Desinfektion) in der Dunkelheit und Enge eines Abwasserrohres erzielt wird. Der Platzmangel soll durch die Verwendung poröser Sintermaterialien überwunden werden. Das sind Metalle, die zunächst zu Fäden gezogen werden, um dann lose zusammengelegt ein Geflecht mit viel Platz zu bilden, das durch einen finalen Erwärmungsschritt verfestigt wird. Auf diese Weise entsteht ein Werkstoff mit sehr großer innerer Oberfläche, der dann mit Titandioxid beschichtet werden kann. Das mangelnde Tageslicht soll durch die Verwendung von zusätzlich im Siphon verbauten speziellen UV-LEDs ersetzt werden.
MEDICA.de; Quelle: Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP